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Das Hochland

Das nächste Abenteuer Guatemala Style ist die Busfahrt nach Antigua, für 250 km brauchen wir 12 Stunden – wie genau kann ich mir nicht erklären.

Als wir endlich ankommen sind wir dementsprechend ziemlich erschöpft und fallen fast sofort ins Bett. Am nächsten Morgen geht es dann los in die Stadt, die eine der Hauptattraktionen Guatemalas ist. Kein Wunder – es ist ein ganz anderes Guatemala, als das, das wir bereits kennen. Antigua ist eine Stadt im Kolonialstil – Kopfsteinpflaster, viele bunte, einstöckige Häuschen, Blumen in den Straßen, gut erhaltene Kirchen und sehr aufgeräumt. Aber so richtig in Szene gesetzt wird die Stadt erst durch die Vulkane. Der mächtige Agua markiert den Süden der Stadt, Acatenango und Fuego ragen im Nordwesten hervor.

Wir verbringen hier unsere nächsten drei Tage mit Spazieren, Marktgängen und gut Essen – mein Highlight: schwarze Tortillas, „Negrolitos“.

Ein Tipp des Hostels führt uns zu einem feinen Hotel, das mehrere Ausstellungen, Workshops und Läden hat, die für die Öffentlichkeit sind. Die Anlage umschließt unter anderem auch eine große Klosterruine mit Katakomben und einer Kirche, die zu einer Art Freilicht-Hochzeitslocation umgewandelt wurde. Außerdem befinden sich mehrere Arer auf dem Gelände, große Papageien in rot und türkis. Ein weiterer Teil der Anlage befindet sich im höheren Teil der Stadt – dort ist ein Skulpturenpark und ein super Blick über Antigua.

Schließlich geht es dann weiter & zu dem Ereignis, auf das ich mich am meisten in Guatemala gefreut hatte: Acatenango!

Das ist wie schon erwähnt einer der drei Vulkane um Antigua herum, der durch einen langen Bergkamm mit Fuego verbunden ist. Fuego ist einer von drei aktiven Vulkanen in Guatemala (insgesamt gibt es 37) und seit einem Monat als einer der tödlichsten Vulkane weltweit in den Nachrichten. Am 3. Juni 2018 brach er so stark aus, dass seine Lava nicht mehr den normalen Pfaden folgte und mehrere Dörfer am Fuße des Vulkans zerstört. Ingestamt 317 Leute sind verstorben (bzw. gelten als vermisst) und ein Ascheregen erreichte Städte in mehreren Kilometern Entfernung. Seit dem 3. Juni ist die Aktivität jedoch stark zurückgegangen, zwar bricht der Vulkan noch mehrfach täglich aus, aber ohne Lava. Die Wanderung auf den Acatenango war dementsprechend für 15 Tage geschlossen, ist aber mittlerweile wieder sicher und freigegeben.

Wir entscheiden uns auf einen Tipp hin für einen Zusammenschluss lokaler Guides aus einem nahe gelegenen Dorf und werden vom Familienvater Catalino in Antigua abgeholt. Mit Chickenbus und Collectivo geht es nach San Jose Calderon, wo wir das erste mal Konsequenzen des Ausbruches zu sehen bekommen. Überall ist Vulkanasche zu sehen, teils mehrere cm dick, und die Straßen werden von großen Reinigungsfahrzeugen bewässert – wahrscheinlich um zu verhindern, dass die trockene Asche in die Luft kommt.

Zusammen mit Catalino erreichen wir sein Haus unterhalb des Acatenango und lernen seine Familie kennen. Seine beiden älteren Söhne zeigen uns ihre beiden frisch geborenen Säuglinge und seine jüngsten Töchter wuseln nur so um uns herum und lachen aus vollem Hals. So geht ein ganzer Nachmittag herum und dann ist es schon Morgen und wir beginnen mit unseren Vorbereitungen. Zelte und Schlafsäcke befinden sich oben im Basecamp, aber durch das Wasser und Essen sind die Rucksäcke doch schwerer als gedacht. Schließlich verlassen wir das Haus mit Catalinos Sohn Warner (man würde nie auf diese Schreibweise kommen wenn man den Namen in spanisch ausgesprochen hört) & treffen Maria aus Argentinien, die auch mit uns wandern wird. Mit dem Pickup geht es die letzten Kilometer zum Trailbeginn, wo die Asche schon auf die Straße quillt.

Die ersten anderthalb Stunden führen uns geradeaus den Vulkan hoch, zwischen grünen Maisfeldern und bei strahlendem Himmel. Danach geht es in Serpentinen durch den Wald, was aber keineswegs weniger anstrengend ist. Etwa nach drei Stunden Anstieg beginnt es mir immer schlechter zu gehen, ich kann die Augen kaum öffnen, habe Kopfschmerzen und habe das Gefühl, ich bekomme nicht so viel Luft wie ich brauche – klassische Höhenkrankheit. So geht es mir etwa eine Stunde und an den in dieser Zeit zurückgelegten Weg kann ich mich auch nicht erinnern, aber irgendwie komme ich dann doch im Basecamp an und schnell ist alles vergessen. Oben ist immer noch wolkenloser Himmel und uneingeschränkte Sicht auf Fuego, der nach kaum fünf Minuten auch direkt ausbrach. Den Nachmittag haben wir dann nicht besonders viel gemacht außer mit einem von Alex aus Ästen & Steinchen improvisiertem Schach zu spielen. Es wurde dann aber doch ziemlich schnell ziemlich kalt, sodass wir dann sehr froh waren nach einer heißen Schokolade ins Zelt zu können.

Am nächsten Morgen mussten wir dann um 4 Uhr morgens reichlich unausgeschlafen die letzten zwei km zur Spitze. Das war wohl der allerhärteste Part, so ganz ohne irgendwas im Magen, in der Dunkeheit und wegen der lockeren Asche ist man wortwörtlich drei Schritte nach vorne und wieder einen zurück gerutscht. Der einzige Antrieb war wohl der Blick in die Ferne: Agua, darunter das in der Dunkeheit leuchtende Antigua und etwas dahinter sogar Pacaya, der über Nacht einen Strom feuerroter Lava gespuckt hatte. Nach ca. einer Stunde Serpentinen waren wir dann am Krater von Acatenango angekommen und stiegen die letzten Meter bis an die Spitze – zum Glück war der Wind nicht so stark: wäre er stärker gewesen, hätten wir nicht nach oben gekonnt, da man ganz leicht in den Krater geblasen werden kann.

Oben angekommen dröhnte der Wind dann super heftig und es war dementsprechend auch echt kalt, aber ich hab die Kälte gar nicht gespürt vor Euphorie.

Der Blick dort oben ist wie aus einer anderen Welt – Die Sonne tönt den Himmel in orange bis blau, zur einen Seite ist Agua in der Ferne, auf der gegenüberliegenden Seite sieht man die Vulkankette im Norden bis Atitlan aus dem Nebel aufragen. Und dazwischen nur einige Hundert Meter entfernt ist Fuego in voller Pracht und hebt sich vom wolkenlosen Himmel ab. Ein Ausblick, den ich glaub ich mein Leben lang nicht vergessen werde.

Schließlich heißt es wieder Abschied nehmen und wir begeben uns auf den Weg zurück zum Basecamp. Die lose Asche, die auf dem Hinweg so mühsam zu ersteigen war, ist auf dem Weg herunter ein riesiger Spaßfaktor! Lachend rutschen, fallen & schreiten wir den Vulkan herunter und freuen uns über unser Glück mit dem Wetter.

Zurück am Basecamp ist die Sonne voll aufgegangen und wir genießen die Morgenstunde in Begleitung von zwitschernden Spatzen, bis wir dann den Rückweg antreten. Der ist zwar ohne Frage schneller und weniger mühselig, aber geht dafür ziemlich auf die Knie und wir sind ziemlich froh als wir endlich das Ende des Weges erreichen.

Dann geht es wieder zurück zur Familie vor Warner und wir packen unsere Sache, um Richtung Lago Atitlan, Santa Cruz, aufzubrechen.

Dazu geht es erst mal im Auto nach Parramos und dann im Collectivo nach Chimaltenango. Dort werden wir dann von einem weiteren Sohn Catalinos in einen anfahrenden Chickenbus verfrachtet. Und dann beginnt unsere Odyssee – zunächst eine Stunde entlang der Panamericana in den Norden, wahnsinnig kurvig und hügelig.

Nun haben wir ja schon einige Erfahrungen in guatemaltekischen Verkehrsmitteln machen dürfen, aber das war bis jetzt die intensivste. Wie wir jetzt nämlich wissen, sind die receycleten Schulbusse aus den USA gänzlich dazu optimiert worden möglichst schnell enge Kurven zu fahren. Und so rasen wir mit einem Affenzahn durch die Pampa während der Bus fürchterlich rattert und ächtzt. Zusätzlich sind wir unfreiwillig Audienz für einen Mann, der in schnellem Spanisch inbrünstig eine Rede schwingt, nur um uns am Ende einen überteuerten Kräutertee andrehen zu wollen – wie wir mittlerweile wissen, ist das hier Alltag.

Schließlich ist es Zeit zum Umsteigen und wir sind eigentlich froh, mal kurz 5 min Pause für unseren Magen zu bekommen, aber schon werden wir in den nächsten Bus gescheucht, der schon anfährt als wir durch den Notausgang hineinklettern. Und so sitzen wir dann eine weitere Stunde im Bus nach Santa Cruz. Blöderweise gibt es hier aber jeden Stadtnamen mindestens zwei mal im Umkreis von 50km, sodass wir in die exakt andere Richtung als wir wollen fahren. Also nehmen wir Chickenbus #3 und fahren zurück mit dem aggresivsten Busfahrer, den ich je gesehen habe, wir hatten wortwörtlich Todesangst. Daher sind wir echt dankbar, als Chickenbus #4 fast normal fährt.

Mit Taxi und Boot schaffen wir es dann doch irgendwie noch zum Hostel und genießen die Blicke auf Lago Atitlan.

Dieser See ist einer der schönsten Orte in Guatemala: Gesäumt von den Vulkanen Tolimon, Pedro und Atitlan und mit dichtem Dschungel, der die umliegenden Berge bedeckt. Auch die Entstehungsgeschichte ist interessant – und zwar ist der See in Wahrheit ein einziger großer Vulkan, genauer gesagt eine Caldera. Das ist eine riesige Magma Kammer, die vor Millionen von Jahren explodiert ist (mit Asche von Ecuador bis Florida) und dann in sich zusammengestürzt ist, um einen riesigen Krater zu formen. Nach und nach entstanden die umliegenden Vulkane und verkleinerten den Krater durch ihre Ausbrüche. Und natürlich füllte sich auch der Krater über die Jahre mit Wasser und so formte sich der riesige Lago Atitlan, der an seiner tiefsten Stelle 300m Tiefe misst.

Hier am See verbringen wir 5 Tage. Wir sehen viele der kleinen Dörfer am Rande des Sees, fahren viel Boot, essen gut, gehen ziplinen und besteigen San Pedro. Sonntags machen wir einen Ausflug nach Chichicastenango, wo der berühmteste Markt der Region stattfindet – laut und hektisch, aber auch bunt und wunderschön!

Und dann ist es auch schon wieder Zeit zu gehen, wir fahren weiter nach Xela. Dort haben wir auf Empfehlung von einem Hostel ein dreitägigen Trek von Xela zurück zum See gebucht, den wir am Dienstag Morgen zusammen mit vier anderen Teilnehmern und zwei Guides beginnen.

Die ersten drei Stunden sind die Härtesten vom Trek – durch den Wald, der glücklicherweise angenehm kühl ist, 800 Höhenmeter nach oben. Schließlich gelangen wir in eine Reihe goldener Kornfelder, die von der Sonne angestrahlt werden. Dann geht es weiter durch eine Reihe von Maisfeldern, Dörfern und schließlich an einen steilen Abstieg durch ein Waldstück ins Tal. Eine Stunde an der Straße entlang und dann ein letzter Aufstieg nach Santa Catharina, unserem Schlafplatz für die Nacht. Dort dürfen wir dann eine traditionelle Maya-Sauna, eine Temazcal, besuchen. Das tut erstaunlich gut nach den Strapazen des Tages, obwohl man zunächst glaubt, man würde in einen riesigen Steinofen klettern. Drinnen ist ein offenes Feuer und mehrere Behälter Wasser in verschiedenen Temperaturen, mit denen man sich waschen kann. Von einem Abzug für z.B. Kohlenmonoxid ist aber natürlich keine Spur 😉

Die Nacht verbringen wir auf dem Fußboden der Stadthalle und aufgeweckt werden wir pünktlich um 6 Uhr von den Kirchenglocken nebenan. Dementsprechend früh geht es zum Frühstück bei einem Dorfesältesten und dann weiter auf den Wanderweg. Heute geht es wieder ins Tal hinab, dann zwei Stunden mit ordentlicher Steigung wieder in die Höhe und durch Maisfelder zu einem kleinen Dorf, wo wir Schokobananen und Eis essen. Weiter geht es durch unzählige Maisfelder in einen Wald hinab und schließlich ins Tal zu einem Fluss, den wir insgesamt neun mal überqueren. Es gibt keine Brücke, sondern nur Steine und so heißt es für mich neun mal versuchen nicht ins Wasser zu fallen, was mir ganze acht mal gelingt. Von dort aus liegt noch ein steiler Anstieg vor uns und dann erreichen wir nach 19km Wanderung schließlich Santa Clara la Laguna, wo wir die Nacht verbringen.

Der nächste Tag beginnt für uns um eine sehr unchristliche Uhrzeit, da wir um 3:30 Uhr loswandern müssen, um den Sonnenaufgang sehen zu können. Wir erreichen den Mirador in der Dunkeheit und beobachten die Sterne, bevor die Sonne über Lago Atitlan aufgeht. Mit dem perfekten Blick über den See frühstücken wir und machen uns dann in Begleitung von Polizei auf den zweistündigen Weg ins Tal. In San Juan angekommen trinken wir dann einen Frappuchino und fahren auf einem Pickup Truck nach San Pedro, wo wir schwimmen gehen und Mittagessen. Leider warten wir wegen Straßensperrungen solange auf unser Gepäck, dass wir es nicht wie geplant nach Antigua schaffen und spontan mit den beiden Guides im Pickup nach Xela zurückfahren.

Die Wanderung war für mich ein echtes Highlight, da auch die Leute ausnahmslos interessant und lustig drauf waren. Wir hatten außerdem perfektes Wetter und echt viel Abwechslung, inkl. störrischer Pferde und Kühe auf dem Weg 🙂

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